Jena | 18. Oktober 2024
Ein Abwarten können wir uns nicht mehr leisten! Thüringer Ärztekammer stellt "Empfehlungen der Landesärztekammer Thüringen zur Ausgestaltung und Umsetzung des 8. Thüringener Krankenhausplanes" vor Thüringer Ärzteschaft und AOK mit Appell an Landespolitik, Krankenhausplan zügig umzusetzen
Wie in einem Brennglas können gerade in Thüringen die Probleme teilweise nicht mehr funktionierender Gesundheitsstrukturen betrachtet werden, die sich nicht nur konkret als „Kliniksterben" zeigen, sondern darüber hinaus auch folgenreich für die gesamte Gesundheitsversorgung in unserem Bundesland sind. Schlagwörter sind hier neben der wirtschaftlichen Not der Krankenhäuser und dem Ärztemangel im stationären und ambulanten Bereich ebenso der Fachkräftemangel in der Pflege und bei Medizinischen Fachangestellten. Dr. Franziska Groenen, Krankenhausärztin und Regionalstellenvertreterin der Landesärztekammer für den Landkreis Sonneberg, kennt die Folgen von einem Krankenhaus in Not aus eigener Anschauung. „Neben der Unruhe, die viele Kolleginnen und Kollegen erfasst – was wird aus mir und meinem Arbeitsplatz, soll ich gleich gehen oder noch abwarten –, wirkt sich die fragile Situation eines Krankenhausstandortes ja nicht nur auf die Belegschaft, sondern auch unmittelbar auf die Patientinnen und Patienten vor Ort, die um ihre gesundheitliche Versorgung fürchten, aus. Aber auch unsere niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen sind betroffen, sie wissen nicht, wohin sie ihre Patientinnen und Patienten überweisen können, wenn spezielle Diagnostik und Therapie notwendig sind, die ausschließlich stationär vorgehalten werden.“ Professor Dr. Heiko Wunderlich, Medizinischer Geschäftsführer des St. Georg Klinikums in Eisenach und für das Ressort Krankenhaus verantwortliches Vorstandsmitglied der Landesärztekammer, ergänzt: „Wir müssen uns klarmachen, dass sicher in Sonneberg eine sehr schwierige Situation herrscht, aber in der Fläche betrachtet hakt es an allen Stellen. Und es bestätigt sich immer mehr, dass etwas passieren muss und Neustrukturierungen notwendig sind, um das Gesamtsystem unserer Versorgung wieder zu stärken.“
Darüber hinaus wird Thüringen ganz besonders davon betroffen sein, dass in naher Zukunft mit weniger Ärztinnen und Ärzten die Generation der Babyboomer versorgt werden muss, so dass auch hier eine Verschärfung der Situation zu erwarten ist.
Schwierige Situation verlangt Handeln
Angesichts dieses Befundes hat die Landesärztekammer Thüringen „Empfehlungen der Landesärztekammer Thüringen zur Ausgestaltung und Umsetzung des 8. Thüringer Krankenhausplanes“ erarbeitet und heute der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit stellt sie sich entschieden gegen diese Entwicklung. In diesem gemeinsamen Papier der Thüringer Ärzteschaft sind konkrete Vorschläge, wie der 8. Thüringer Krankenhausplan in Thüringen umgesetzt werden kann, erarbeitet worden. „Erstmals“, so der Präsident der Landesärztekammer Thüringen, Dr. Hans-Jörg Bittrich, „hat damit eine Landesärztekammer die Aufgabe übernommen, für die dringend notwendige Um- bzw. Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft ein Konzept zu entwickeln. Ziel des Papieres ist, neben der Vermeidung einer kalten Strukturbereinigung in unserem Bundesland, Gesundheitsgerechtigkeit für die Thüringer Bevölkerung in den entscheidenden Diagnosen zu erreichen und zu verdeutlichen, dass die Umsetzung des Thüringer Krankenhausplanes unverzüglich in Gang gesetzt werden muss.“
Kerninhalte des Papieres
Die Kernforderungen und Kerninhalte des Papieres sind vom Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer, Matthias Zenker, vorgestellt worden. Zu den zentralen Planungspfeilern gehören neben der Chancengleichheit für ganz Thüringen bei zeitkritischen Notfalldiagnosen eine gesicherte gleiche Anzahl an Personal und Qualität bei Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Traumaversorgung. Vorgeschlagen werden die Nutzung von Auswahlkriterien zur Planung von spezialisierten Zentren mit sinnvoller Interdisziplinarität. Abgelehnt wird die weitere Zulassung von Doppelvorhaltung hochspezialisierter elektiver Krankenhausleistungen in räumlicher Nähe. „Wichtig“, so der Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer, Matthias Zenker, „sind auch die Empfehlungen des Papieres für die sektorenverbindenden Grundversorger, denn Ziel ist ja nicht nur eine Verbesserung der stationären, sondern der gesamten Gesundheitsversorgung in unserem Bundesland!“ Hier werden sektorenverbindende Grundversorger vor allem im peripheren ländlichen Raum, allerdings nicht ohne Bedarfsanalyse in den Ballungsräumen, ebenso empfohlen wie die Etablierung einer stationären Kurzzeitpflege mit geringer Bettenzahl und internistischem und allgemeinchirurgischem Angebot. Darüber hinaus sollten durch das Land Ansiedlungen von Praxen bzw. Sprechstunden in peripheren Räumen gleichfalls gefördert werden wie die Ansiedlung von KV-Bereitschaftsdiensten und Rettungsdienststandorten. „Damit hat die Landesärztekammer Thüringen einen gut strukturierten umsetzbaren Plan für die Verantwortlichen der Politik aufgestellt, den es zügig umzusetzen gilt“, so der Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer.
Unterstützt wird die Landesärztekammer in dieser Aussage von Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender der AOK PLUS, und Vertreter einer der großen Gesundheitskassen, dazu: „Die AOK PLUS teilt ausdrücklich die im Papier genannte Forderung, dass für die Behandlung von besonders lebensbedrohlichen, zeit- und personalintensiven Erkrankungen, spezielle medizinische Strukturen erforderlich sind, um eine bestmögliche Behandlungsqualität zu gewährleisten. Das bedeutet in der Praxis, dass die nun planerisch notwendigen Schritte zur Umsetzung einer bedarfsgerechten, vernetzten und leistungsfähigen Krankenhausstruktur folgen müssen.
„Ein Abwarten können wir uns nicht mehr leisten!“, sind sich alle Vertreter der Landesärztekammer und der AOK einig und appellieren an die Vertreter der Landespolitik: „Damit in unserem Bundesland Chancengleichheit und Gesundheitsgerechtigkeit wieder hergestellt werden können, muss diese Legislatur politisch eine Legislatur der Medizin werden.“